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Freitag, 18. Oktober 2019
Wandern am Limit
Donnerstag, 17.10.
Ich hatte mir auf um sechs einen Wecker gestellt, der war aber mal wieder nicht nötig. Ich stand um sechs bei Walmart vpr der Tür, um Milch, Bananen und Käse zu kaufen und meine Morgentoilette zu erledigen. Der Laden machte mit 8 Minuten Verspätung auf, mein Frühstück zog sich auch hin. Ich redete da mit einer Mitarbeiterin, wie es so sei, bei Walmart zu arbeiten, weil der Laden ja einen schlechten Ruf hat wegen mieser Bezahlung und schlechter Arbeitsbedingungen. Das sah die Frau ganz anders. Sie war zufrieden und ergänzte, dass die jungen Leute von heute keine Arbeitsmoral hätten, das sei das Problem. Ich fuhr dann zum Startpunkt meiner heutigen Wanderung, war aber erst halb acht dort. Ich wollte wegen der Hitze so früh wie möglich los. Den Wanderweg hatten mir die beiden aus Hohenstein-Ernstthal als anstrengend, aber herrlich wild und abenteuerlich empfohlen. Es sollten laut Internet 10 km bis zum „WIndow“ sein und man solle 6 Stunden einplanen. Ich dachte für Hin und Zurück, aber das muss wohl anders gemeint gewesen sein. Ich belud meinen Ruckack aber mit sechs(!) Litern Wasser sowie zwei Bananen, einem Müsliriegel und einen Apfel. Dann zog ich los, mit der Vorgabe für mich selbst: Wenn das Wasser zur Hälfte alle ist, kehrst du um! Der Weg begann gemächlich, führte durch Kakteenlandschaft in eine Schlucht hinein. Man wechselte mal auf die eine, mal auf die andere Seite einen potentiellen Baches. Dabei ging es zudem bergauf. Trotz der recht zahlreich postierten Steinhäufchen (die sind hier keine Spielerei, sondern Wegmarkierung, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte) verlor ich ein paar Mal den Pfad und musste umkehren, das waren unnötige extra Meter. Es war anstrengend. Am Anfang natürlich noch nicht, aber je weiter ich lief und je höher ich stieg, desto anstrengender empfand ich es. Man muss nicht nur sehr auf den Weg achten, sondern auch über allerlei Felssteine steigen, sich an stacheligen Pflanzen vorbeizwängen (meine Arme und Hände waren danach total zerkratzt, einige Stacheln steckten in meinem Knie ...), durch hohes Gras kämpfen, durchs Unterholz schlagen, kurz: Abenteuerlich ist eine ganz gute Beschreibung. Zum Glück lief ich oft im Schatten, kaum auszudenken, was das sonst hätte werden sollen. AB und zu wehte auch eine Brise durch die Schlucht, das tat gut. Ich kam bald ins Schwitzen und meine Kehle wurde trocken. Ich trank nicht mehr als nötig. Es dauerte aber fast dreidreiviertel Stunden, bis ich das „Fenster“ überhaupt zu Gesicht bekam. Ich rechnete mir aus, wann ich dort sein würde und bekam Zweifel, dass ich es bis dorthin schaffen könne. Aber ich lief einfach weiter, bereit umzukehren, sobald das Wasser halb verbraucht ist. Dann erreichte ich das Ende des Ventana-Trails, dort muss man nach rechts auf den Espero-Trail abbiegen um zum „Fenster“ zu gelangen. Mir waren ganz am Anfang drei Frauen entgegengekommen, die aber offensichtlich nur eine kurze Morgenrunde dort absolviert hatten, danach hatte ich keinen mehr getroffen, aber dort holte mich ein junger Mann ein. Er war eine Stunde später losgelaufen, mit aber nur 3 Litern Wasser, wovon die Hälfte weg war. Ich hatte noch einen Rest, bis die Hälfte weg war, überlegte dort aber trotzdem, ob ich nicht umkehren sollte. Er war sich auch nicht sicher, meinte aber, das der Rückweg ja schneller ginge und weniger anstrengend sei. Ich gab zu bedenken, dass die Sonne jetzt hoch stünde und es am späten Nachmittag dann am heißesten sei. Er wollte trotzdem weitergehen. Ich dachte mir, versuchen kannst du es. Es lohnte sich! Noch bevor man zum „Fenster“ kam, erreichte man großartige Aussichtspunkte zur anderen Seite – die zurück nach Tucson waren auch schön, aber nicht ganz so spektakulär. Dann kam mit der junge Mann, der ja schneller unterwegs war als ich, wieder entgegen. „Schon zurück?“, fragte ich. Er meinte, er sei vor dem „Fenster“ umgekehrt, wegen seiner zu knappen Wasservorräte. Er hatte auch geglaubt, es kämen keine großen Anstiege mehr bis dahin, was falsch war. Jetzt kam ich einzweites Mal ins Grübeln, aber ich beschloss, nicht so leicht aufzugeben. Es stellte sich heraus, dass es viel weniger weit war als vermutet (auf der Karte war nur „Windows Peak“ vermerkt, aber nicht das Fenster an sich). Er muss kurz vor dem Ziel umgekehrt sein. Ich erreichte es! Ich war ganz schön erschöpft, aber prall von Stolz, es geschafft zu haben. Der Felsbogen, der das „Fenster“ formt ist nicht so groß wie etwa „Delicate Arch“, aber dafür aus massivem Felsgestein, dafür war er schon gewaltig. Ich genoss meinen Triumph nur fünf Minuten. Denn erst 13:10, nach 5:40 h, war ich dort angekommen, und ich musste ja noch den ganzen Weg wieder zurücklaufen. Hinunter ging schon leichter als hinauf, das stimmte, aber man hatte ja auch schon 10,5 km in den Knochen, und der Weg war anspruchsvoll, da war auch das Heruntersteigen zum Teil sehr anstrengend, vor allem auf Dauer ... Und es dauerte länger als ich dachte, das merkte ich bald. Ich rechnete hoch, dass ich auch für den Rückweg mehr als vier Stunden brauchen würde. So viel wurde es dann aber zum Glück nicht. Tiere sah ich übrigens nicht allzu viele, vor allem keine Bighorn Sheep, die es dort geben soll. Dafür sah ich einen Hirsch, ein paar wenige Echsen, einige Vögel – und wundervolle Schmetterlinge! Auf dem Rückweg fiel es mir aber schwer, das noch richtig zu genießen. ich wollte nur noch wieder heil unten ankommen. Je länger ich lief, desto erschöpfter wurde ich. Bei Kilometer 19, also kurz vor dem Ende, rutschte ich mal wieder aus, gibt blaue Flecke ... Ich denke, in dem Fall war es aufgrund der Erschöpfung, dass das passierte, auch wenn so was immer mal passieren kann. Nach insgesamt 9 ½ Stunden, um 17 Uhr, erreichte ich das Auto. Ich war total platt. Dieser Wanderweg hat mich an meine Grenze geführt. Es ging auch 1200 m bergauf, und eben mit Schikanen. Zwanzigeinhalb Kilometer hatte ich absolviert. Die Highline im Glacier National Park war ähnlich lang und enthielt einen sehr sehr steilen Anstieg, aber insgesamt war sie eher leicht zu laufen. Dieser Weg heute war mein anstrengendster. Und ich war am Limit. Eigentlich wollte ich nach der Wanderung dreieinhalb Stunden gen Norden fahren zu einem bereits ausgeguckten Campingplatz. Aber dafür war es nicht nur zu spät, ich hätte auch nicht mehr so lange fahren können, so breit war ich. Ich googelte nach einem Campingplatz in Tucson, fand einen, der 12 Meilen südlich von mir lag und fuhr dorthin. Das gleiche Problem wie gestern. Google wollte mich nicht existierende Straßen langschicken. Heute sah ich, warum. Dort war eine Airforce Base. Vielleicht gibt es die noch nicht so lange – aber sie lag genau dort, wo auch der Campingplatz sein sollte! Es gab ihn offensichtlich also nicht mehr. Ich tippte auf meinem Handy einen anderen an, den ich mir rausgesucht hatte und der „nur“ gut zwei Stunden entfernt sein sollte. Ich sollte 19:47 dort ankommen. Zunächst ging es auf die Interstate 10 West. Dort gab es dann auch „Camping“-Abfahrten, als dort ein KOA ausgeschildert war, bog ich ab und fuhr da hin. Ich landete in Picacho. Als ich vom Auto zur Anmeldung ging, wollten mich meine Beine kaum mehr tragen. Die Frau hatte deswegen auch einen Platz für 30 Dollar in bar für mich, denke ich. Als Erstes füllte ich eine Wasserflasche auf (der eine ungebrauchte Liter ist eine origninalverschlossene Packung Wasser), dann nahm ich mit Stirnlampe am Picknicktisch Platz und aß etwas. Dann ging es auch wiedermit dem Laufen. Jedenfalls ist es heute spät geworden ... Ich habe noch keinen Plan für morgen, und den überlege ich mir auch erst morgen. Heute geht nichts mehr.

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Letzte Aktualisierung: 2019.12.01, 10:14
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