This is America - People and Places
Dienstag, 22. Oktober 2019
Vom National Forest zum Freak-out-Center der Stadt
Montag, 21.10.
Man sollte annehmen, dass ich im Bett wie in Watte wunderbar geschlafen hätte, aber es war eine eher unruhige Nacht, warum auch immer. Halb acht sollte es Frühstück geben, ich war zu der Zeit bereit und die Erste dort. Das Buffet war wie erwartet eher spärlich: Kaffee, Orangensaft, Porridge (Tütchen zum Aufgießen mit heißem Wasser), Süßgebäck. Es gab aber immerhin auch frisches Obst: Bananen, Äpfel, Clementinen. Ich war damit zufrieden. Ich sammelte meinen letzten Kleinkram zusammen. In der örtlichen Zeitung hatte ich einen Vortrag zu „Art & Social Commentary: Changing the Narrative“ von einer amerikanischen Künstlerin und Ureinwohnerin gefunden, der heute 10:30 stattfinden sollte, und ich überlegte, ob ich dorthin gehe statt zu wandern, aber ich fuhr doch zum Wanderparkplatz namens Williamson Valley Trailhead. Auf der Internetseite des Prescott National Forest hatte ich mir aus einer Liste von ca. 250 aufgeführten Wegen einen Loop (eine Runde) in der Nähe von Prescott herausgesucht, den Baby Granite Loop. Er sollte 10,5 Meilen lang sein und von mittlerer Schwierigkeit, das klang so weit gut. Der Startpunkt war nur 6,5 Meilen von Prescotts Zentrum entfernt an einer Straße gelegen. Deshalb war ich überrascht, dass ich dort kein Netz hatte. Damit hatte ich nämlich auch keine vernünftige Karte (Google kannte dort keinen Weg), sondern nur eine sehr grobe Wegbeschreibung von der Internetseite, die ich immerhin noch offen hatte. Aber in der Regel sind die Wege ja gut beschildert bzw. markiert. Und zur Not musste ich eben umkehren und zurücklaufen, meinen Weg konnte ich ja zumindest „tracken“, also aufzeichnen. Anfangs war alles ganz einfach, mir begegnete ein Hundausführer, der Weg war gut erkennbar und leicht zu laufen. Ich erschreckte mich nur, als vor meinen Füßen ein Krabbelvieh plötzlich im Zickzack herumsprang, damit hatte ich nicht gerechnet. Keine Ahnung, was das war. Ich frage mich auch, was das für Insekten sind, die grau und unscheinbar herumhocken und mit einem Knattergeräusch herumfliegen, wobei sie farbige Flügel offenbaren. Nach einer halben Stunde stand ich vor einem ganz anderen Rätsel. Der Weg verzweigte sich, kein Schild, kein Steinhäufchen. Ich lief erst eher geradeaus weiter, aber da kam man aus der „Granite Mountain Wilderness“, deren Grenze markiert war, wieder heraus, weswegen ich umkehrte und den anderen Weg nahm. Aber der endete in einem „Wash“, also einem trockenen Flussbett. Die sehen zwar manchmal verlockend nach einem Weg aus, sind sie aber nicht. Sie werden höchstens gequert. Aber ich fand keinen anderen Weg dort. Ich war drauf und dran zurückzukehren und woanders wandern zu gehen. Aber dann entschied ich mich, dem ersten Weg doch eine Chance zu geben, und auch wenn der nirgendwo beschildert war, führte er wieder in die „Wilderness“ hinein, und nach einer weiteren halben Stunde kam ich dann doch wieder zu einem Wegzeichen. Ich absolvierte anderthalb Kilometer extra so, rechnete ich mir aus. Den Rest des Weges fand ich besser, allerdings war der Weg selbst ziemlich unspektakulär. Es gab auch hier die buckligen Granitfelsen, es wuchsen auch hier Kakteen, Agaven, Wacholder und Pinien. Ich scheuchte etliche interessante Vögel auf, bekam aber keine vor die Linse. Ich bin auch zu ungeduldig, um ihnen aufzulauern und tauge daher schon gewiss nicht zu einem Ornithologen. Erdlöcher zeugten von anderen Bewohnern (Kaninchen/Koyoten), aber die bekam ich nicht zu Gesicht. Nur deren Kot, der aussah, als würden sie auch Kaktusfeigen verspeisen. Wer weiß ... Der Weg stieg dann etwas an, wodurch man in die Ferne schauen konnte, und am Horizont war eine riesenlange Rauchschwade zu sehen, man erkannte auch den Ursprungsort. Ich nehme an, das war auch wieder so ein absichtliches kontrolliertes Feuer, das der Pestbekämpfung bzw. Landschaftspflege dienen oder unkontrollierte Feuer verhindern soll. Ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich zu bezweifeln. Bald hatte ich die eigentliche „Runde“ beendet, denn 3 Meilen waren Zuweg, den man auch wieder zurückgehen musste. Ich ging den Weg, den ich gekommen war, ohne die Extras, keine Ahnung , ob das nun der richtige Weg war. Da traf ich noch auf einen Reiter, ansonsten war mir hier niemand begegnet. Aber nach knapp 20 Kilometern hatte ich es geschafft. Ich war auch etwas geschafft, obwohl der Weg leicht zu laufen war. Vielleicht lag es daran, dass ich Hunger hatte. Deshalb fuhr ich nach dem Tanken (da hatte ich wieder Netz, aber es war offenbar zu spät für einen Anruf zu Hause) auch ins Stadtzentrum von Prescott, wo ich vor einem kleinen Museum parkte und den Rest erlief. Ich suchte mir ein kleines Grillrestaurant, wo ich mal wieder einen Burger verspeiste. Danach fühlte ich mich wieder wie neu! Ich hatte noch den Goldwater Lake auf der Liste. Eigentlich gibt es zwei, aber der Weg zu beiden ist hin und zurück genauso lang wie der von heute Morgen, das ging natürlich nicht mehr. Stattdessen fuhr ich zum „Recreational Area“ direkt am See, wo zwar wieder 3 $ Parkgebühren fällig waren, aber dafür war ich gleich am See und konnte noch bis zur Staumauer daran entlanglaufen. Bei abendlicher Stimmung, das war schön. Auf dem Rückweg habe ich sogar über dem See einen Weikopfseeadler kreisen sehen! Leider nur unscharf auf meinem Kamerafoto ... Ich fand, das sei ein herrlicher Tagesabschluss gewesen. Aber auf dem Rückweg in die Stadt wartete noch ein Highlight: die South Mount Vernon Street. Keine besondere Straße, aber ich hatte schon auf der Hinfahrt gesehen, dass dort außerordentlich viele Häuser mit außerordentlich extravagantem und überbordendem Halloweenschmuck ausgestattet waren. Als ich zurückkam, dämmerte es gerade, und jetzt leuchtete auch noch alles. Ich hielt an, stieg aus und lief die Straße rauf und runter. Nicht nur, dass viele Teile beleuchtet waren, es gab auch unzählige, die sich bewegten, sprachen oder Geräusche machten, wenn man vorbeiging. Wie im Gruselkabinett. Und ganz schön freakig. Und typisch amerikanisch. Die armen Normalos, die dazwischen wohnen und von allen Seiten von dem Gedöns umgeben sind! Nach diesem nun wirklich finalen Abendspaziergang steuerte ich eines der drei Walmart-Supercenter der Stadt an. Ich kaufte etwas ein, dann aß ich Abendbrot, nun sitze ich auf meinem „Lounge-Sitz“, dem hinter dem Beifahrersitz, und hoffe, dass es nicht allzu kalt wird heute Nacht, acht Grad sind vorhergesagt, wär schön, wenn es auch nicht weniger werden.

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