This is America - People and Places
Samstag, 16. November 2019
Ins Wasser Gefallenes in den Everglades
Freitag, 15.11.
Wir hatten uns einen Wecker gestellt, damit wir gleich um sieben frühstücken gehen konnten. Wach waren wir da ohnehin bereits. Das Frühstück war verhältnismäßig gut, es gab neben Cerealien, Toast und Marmelade sowie Waffeln auch Rührei mit Minikartoffelbällchen und Hackfleischstäbchen, dazu frisches Obst und Joghurt, wir schlugen uns ordentlich die Bäuche voll. Eine halbe Stunde fuhren wir bis zum Everglades National Park, das Visitor Center (Ernest F. Coe VC) war halb neun aber noch zu. Eine Karte hatten wir aber, und einen Plan auch. Der sah vor, als Erstes den Anhinga Trail zu absolvieren, das ist ein nur 0,4 Meilen langer Brettersteg durchs Feuchtland nahe dem Parkeingang. Den sollte man aber nicht übergehen! Wir wurden dort begrüßt von einer Horde Rabengeiern – die sind dort dafür bekannt, Scheibenwischer von Autos zu zerfetzen, weil sie auf Gummi stehen. Aber diese waren – zumindest heute – friedlich. Gleich zu Beginn entdeckten wir auch die Vögel, die dem Weg den Namen gaben: Anhingas. Amerikanische Schlangenhalsvögel. Direkt neben unserem Steg, keine zwei Meter von uns entfernt, stand in aller Seelenruhe ein Vertreter der sonst scheuen amerikanischen Graureiher. Dann sahen wir mit erstaunten Augen eine Schildkröte nahe dem Ufer durchs Wasser gleiten, eine Cooter Turtle, eine Echte Schmuckschildkröte. Wenig später erspähte Helene ein bezauberndes Purple Gallinule, ein Zwergsultanshuhn. Dazu kam eine kleine Echse, die eine der Gattung Anolis sein muss, denn sie stellte kurz ihr orangefarbenes Zungenbein auf. Wir entdeckten weitere Schmuckschildkröten, aber weiter weg, und sie streckten nur mal kurz ihren Kopf aus dem Wasser, um offenbar an Teichrosenblüten zu knabbern. Einzig Alligatoren ließen sich nicht blicken. Wir waren aber vollends begeistert von diesem kurzen Trail. Unser zweiter Punkt im Tagesprogramm war der Pa-Hay-Okee-Aussichtspunkt. Dorthin gab es einen noch kürzeren Weg, aber auch hier fand sich Überraschendes. Gleich auf der Straße wurden wir wieder begrüßt – dieses Mal von einer Romalea microptera, einer hier beheimateten Kurzfühlerschrecke, die bis zu acht Zentimeter lang wird, sie sah auch beeindruckend aus. Der Ausblick ins Feuchtland war auch ganz nett, mehr aber faszinierten uns ein Fisch und ein Grünreiher, der sich in geduckter Haltung im Grün zu verbergen suchte sowie die „Florida swamp-lily“ (Crinum americanum), also die floridianische Sumpflilie. Wir fuhren weiter die Main Park Road (Highway 9336) ab, jetzt bis zum Mahagony Hammock Trail, der Name verrät es schon, man findet hier Mahagoniebäume, einige sind sehr alt und groß. Im 19. Jahrhundert wurde das gute Holz in den Everglades geschlagen, diese Bäume stehen nur deshalb noch, weil der Teil des Parks damals unzugänglich war. Der Holzsteg bietet einen kurzen Rundweg, auf dem man sich glatt wie im tropischen Urwald vorkommt, so viel sattes Grün sprießt dort um einen herum, unter anderem auch ficus aurea, die sogenannte floridianische Würgefeige (strangler fig). Beißviecher umschwirren einen dort leider auch. Gegen Mücken hatten wir uns eingesprüht, aber Autan hilft nicht gegen diese grässlichen Fliegen dort. Die attackierten uns auch am Paurotis Pond, wo man gut Vögel beobachten können soll, aber einen Pfad gab es dort nicht. Wir warfen nur einen kurzen Blick auf den Teich, dann flohen wir ins Auto. Am West Lake blieben wir verschont. Dort gab es auch einen kurzen Brettersteg. Der war als Runde angelegt, aber der Teil, der auf den See hinausgeht, war eingestürzt und abgesperrt, er ist wahrscheinlich durch den Hurrikan Dorian Ende August zerstört worden. Auf dem verbliebenen Boardwalk huschten Minieidechsen umher, links und rechts von uns wuchsen schwarze und weiße Mangroven (erster erkennt man daran, dass sie stiftdünne Luftwurzeln ausbilden, und der Rauch ihres verbrannten Holzes soll ein guter Mückenabweiser sein), auch Bromelien entdeckten wir. Hinweistafeln gab es auch zum ‚buttonwood tree’ (Conocarpus), dessen Früchte angeblich wie Minikienäppel aussehen, den Vergleich fanden wir aber nicht so treffend. Eine Pflanze muss rosa Pfeffer gewesen sein, auch Brasilianischer Pfefferbaum genannt – der Name sagt es schon: Der ist hier nicht beheimatet. Als Zierpflanze einst eingeschleppt wilderte er aus und überwucherte natürliche Biotope, in den Everglades sind große Gebiete davon betroffen, und man gibt Millionen Dollar dafür aus, ihn wieder loszuwerden – der Besitz oder die Pflanzung sind in Florida sogar strafbar! Davon stand da nichts, aber dank PlantNet-App und Wikipedia findet man so etwas im Nachhinein heraus ... Ich beklagte mich dort mal wieder bei Helene über die feuchtwarme Luft, bei 29 Grad finde ich so hohe Luftfeuchtigkeit sehr unangenehm, mir fällt da das Atmen direkt etwas schwer, ihr dagegen scheint das nichts auszumachen. Dabei hatte ich keinen Grund, mich zu beschweren, denn es schien immerhin die Sonne, anders als angekündigt. Als Nächstes steuerten wir nun Flamingo Marina und Visitor Center an der Südküste an. Wir wollten dort gern ein Bötchen ausleihen und herumpaddeln. Seekühe soll man dort mit Glück auch sehen können. Wir sahen auch gleich die Boote liegen und fragten im benachbarten Laden nach. Es gab Kanus und Kajaks, und wir entschieden uns für einen Zweierkajak. Zwei Stunden kosteten dreißig Dollar. Es war kurz nach zwölf. Wir mussten zunächst einen Waiver ausfüllen, also eine Erklärung, dass wir das alles auf eigene Verantwortung machen inklusive Belehrung. Dann wurden uns die Schwimmwesten gereicht und angelegt. Ich fühlte mich auf einmal nicht gut und verspürte einen leicht stechenden Schmerz in der Magengegend. Hatte ich mich beim Frühstück übernommen? War irgendwas schlecht gewesen? Ich entschuldigte mich kurz zu den Restrooms. Dort merkte ich aber gleich, dass ich nichts von mir zu geben hatte und dass ich mich immer schwächer fühlte. Ich riss die Verriegelung auf, nur für den Fall der Fälle, dass ich dort abklappe, dann hoste ich mich wieder an und ging raus, schaute kurz um die Ecke, sagte, ich hätte ein Problem, dann eilte ich in den Laden. Dort war es kühl, und das tat mir gut, schien mir. Ich schwitzte auch ganz fürchterlich. Ich musste mich setzen. Das gesamte Personal dort war sofort bei mir und umsorgte mich – ich bekam eine Flasche kaltes Wasser zu trinken, ein Eis-Pack in den Nacken, mir wurde Luft zugefächelt ... Man rief auch den Park-Ranger-Notdienst. Helene kam dazu, sah ganz besorgt aus. Ich überlegte zwischenzeitlich, ob es am Leitungswasser liegen könnte, das wir hier immer trinken oder ob ich mich irgendwo vergiftet haben könnte. Meine Fingerspitzen kribbelten. Die Leute dort vermuteten, mir sei die feuchte Hitze nicht bekommen. Mir war das wiederum etwas peinlich, weil ich mich für fit halte und in meiner Vorstellung nur fettleibige Leute mit so was Probleme bekommen, was ziemlicher Quatsch ist. Notarzt und Helfer kamen mit einer Trage rein, auf der ich in den Krankenwagen transportiert wurde, obwohl es mir da schon wieder etwas besser ging. Die feuchtheiße Luft draußen ließ mich aber gleich wieder den Schmerz in der Magengegend spüren, war wohl doch dadurch bedingt. Mein Puls war wohl anfangs etwas hoch, ging dann aber schnell wieder runter. Ich musste Fragen beantworten, wusste sogar das Datum, weil ich es auf dem Waiver gerade einsetzen hatte müssen. Jedenfalls war mit mir so weit alles in Ordnung, vielleicht hätte ich auch mehr trinken müssen. Man riet mir, mich den Rest des Tages auszuruhen und mich nicht mehr in die feuchte Hitze zu begeben, vielleicht ein isotonisches Getränk zu mir zu nehmen und mich vielleicht im Krankenhaus vollständig durchchecken zulassen. Aber ich durfte dann gehen, konnte das dann auch wieder. Noch mit dem Eis-Pack im Nacken ging ich zurück in den Laden und erwarb gleich einen Power-Drink, der schmeckte sogar. Wir bekamen sogar die 30 Dollar zurück, das fand ich sehr nett. Überhaupt war das Team dort spitzenmäßig in der Notfallversorgung! Wahrscheinlich kommt das da auch öfter vor. Wir gingen zum Auto und ich warf gleich den Motor an und ließ ihn laufen, für Kühlung. Dann aßen wir Banane und Apfel, zur allgemeinen Stärkung ... Ich fühlte mich wieder gut. Aber unsere Paddeltour musste leider ins Wasser fallen, das wäre zu riskant gewesen. Ich schickte Helene noch los, sich am Wasser umzuschauen, ob hier irgendwo „manatees“, also Seekühe zu sehen wären, während ich im gekühlten (weil laufenden) Auto sitzen blieb. Leider nicht. Wir fuhren noch bis zum Ende der Straße, warfen einen kurzen Blick auf einen Teich, ein Falke saß auf einem Straßenschild und ließ sich von uns nicht stören, eine ganze schar Silberreiher ebenso wenig. Und dort sahen wir auch den teilweise unter Wasser stehenden Flamingo Campground, außerdem gibt es da den nah an der Küste entlangführenden asphaltierten Guy Bradley Trail. Lang konnte der nicht sein, und ein kurzes Stück zu gehen traute ich mir wieder zu. Helene spottete mal wieder etwas, das ich übersehen hätte: eine winzige Krabbe, die mutig ihre Schere ausfuhr. Außer Mangroven und einem Melonenbaum (Papaya), wie ich meine, wuchsen dort auch Meertraubenbäume. Zwei weitere Vögel ließen sich sehen, am Himmel flog kurz etwas vorbei, das rosa Flügel hatte. Ich dachte gleich an Flamingos, aber es könnte auch ein Rosalöffler gewesen sein, zumal erstere ja wohl mehr in Gruppen auftreten. Ein Storchennest – wenn es eines war - sahen wir auch, da es hier den Waldstorch geben soll, könnte das ein Nest dieses Schreitvogels gewesen sein. Es waren Wolken aufgezogen und es fing an, leicht zu nieseln, die damit verbundene leichte Abkühlung war genau das Richtige für mich. Wir kehrten dennoch um, und der Regen wurde auch etwas stärker, wir liefen das letzte Stück zum Auto. Hätten wir gepaddelt, wäre die Tour spätestens jetzt auf andere Weise „ins Wasser gefallen“. Der Regen nahm weiter zu, als wir nun Richtung Parkausgang zurückfuhren, das angekündigte Wetter kam also doch noch. Stürmisch war es allerdings nicht. Die Temperatur fiel auch deutlich mit dem Regen. Er war mir deswegen willkommen. Dreiviertel drei etwa verließen wir den Nationalpark. Aus dem geplanten Abendessen am Gator Grill wurde ein Nachmittagsessen. Wir teilten uns eine Portion Stir-fry mit Alligator, Gemüse und Reis. Als wir gerade am Hotel angekommen waren, fing es so richtig an zu pladdern – wir waren froh, uns aufs Zimmer zurückziehen zu können. Der Rest des Nachmittags ging schnell hin. Den halben Abend verbrachte ich mit Recherchen zu Flora und Fauna ... Zu Abend aßen wir spät und nur wenig heute, wir waren noch voll. Und jetzt ist es schon wieder viertel elf.

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