This is America - People and Places
Dienstag, 3. September 2019
New Leipzig und Old Roosevelt
Nach der Nacht, in der ich zwar ein paar Mal wach war, aber dafür morgens relativ lange liegen blieb, fühlte ich mich wieder gut ausgeruht. In der Küche stand alles für das hier inkludierte Frühstück bereit: Kaffee, Toast; Marmelade, Cerealien, Milch und sogar ein Tütchen mit vier kleinen Muffins. Als ich mit dem Frühstück fertig war und nur noch meinen Kaffee austrinken wollte, kam die Gastgeberin angeschlappt. Langschläferfamilie. Wir kamen ins Gespräch und ich nutzte die Gelegenheit, Gen eine Story zur Canon Ball Community abzuluchsen. Sie hatte dort nämlich einige Zeit als Vertretungslehrer gearbeitet. Jerry kam dann irgendwann auch dazu und half hier und da mit Fakten aus. Jerry kopierte mir auch noch mein General-Release-Blatt, denn ich hatte aus Gewichtsgründen nicht allzu viele Kopien mitgenommen. Nach meinem „Interview“ packte ich alles zusammen und lud meinen Kram wieder ins Auto. Dann ging es weiter gen Westen. Von meinen Gastgebern, die für meinen Besuch einen Pin in Leipzig auf ihrer Weltkarte steckten (das war drauf!), hatte ich erfahren, dass es in North Dakota „unweit der Interstate 98“ einen Ort namens „New Leipzig“ geben solle. Ich beschloss, einen Umweg dahin zu machen. Es ging dann allerdings 70 km durch Felder mit Mais, Sonnenblumen, Getreide und Wiesen und an einem See vorbei, durch eine Ortschaft hindurch, dann, im Nirgendwo: das Ziel. Kein Ortsschild, eine Sandpiste zum Ort, der hat drei Straßen und fünf Querstraßen. Alles sieht ziemlich leer aus. Ich parke und laufe durch den Ort. Mir begegnen drei Pickups, die Fahrer grüßen mich. Das war’s. Das Land ringsum ist eher flach, agrarwirtschaftlich genutzt, es gibt nicht weit entfernt ein Flüsschen und im Ort sowohl eine reformierte als auch eine lutherische Kirche. Das war’s dann auch mit Gemeinsamkeiten mit dem Original ... Dazu kam das trübe Wetter – nichts wie weg da! Ich hätte ja gern einen Einwohner angesprochen, aber keine Chance. Klingeln wollte ich nicht irgendwo ... Gut, das war etwas ernüchternd. Ich hoffte, dass das Wetter nicht noch schlechter werden würde, damit ich im Theodore Roosevelt Nationalpark, den ich als Nächstes ansteuerte, nicht durch Regen und Schlamm waten muss. Es wurde sogar besser, und wie! 27 Grad und Sonnenschein am Nachmittag! Vor dem Nationalpark war an der Interstate ein Rastplatz mit Ausblick auf den Park, den hatte ich mir als mögliches Nachtlager vorgemerkt und auch inspiziert. Im dortigen Visitor Center hieß es, man könne auch ohne Kosten mit einer Erlaubnis, also Registrierung, im Park übernachten. Das klang vielversprechend. Am Parkeingang erwarb ich erst einmal meinen Nationalparkjahrespass, der ist gültig für alle Nationalparks der USA bis Ende September 2020, Kosten: 80 Dollar. Lohnt sich, sobald man mehr als drei besucht. Im Park erfuhr ich dann allerdings, dass kostenloses Übernachten nur für Wanderer abseits der Wege möglich sei, nicht im Auto. Da die Übernachtung auf dem hiesigen Campingplatz aber nur 14 Dollar kosten sollte, fuhr ich sogleich dorthin, um mir einen Platz zu sichern, wie mir empfohlen worden war. Abends war dann auch alles voll. Ich reservierte den Platz per Anstecken eines Anmeldezettels an einen Pfosten und bezahlte per Bargeld in einem Umschlag, den man in eine Metallbox werfen musste. Dann fuhr ich hinein in den Park. An der ersten Stelle, an der ein Wanderweg startete, an der Peaceful Valley Ranch, parkte ich und stiefelte los. Ich staunte nicht schlecht, als der Trail ziemlich zu Anfang durch einen zehn Meter breiten Fluss führte. Er war nur gut knietief, aber hatte Strömung. Ich hatte glücklicherweise eine Zip-off-Hose an, so dass ich die Hosenbeine abtrennen konnte, dann zog ich die Socken aus und nahm die Sohlen aus meinen Schuhen und ging mit ihnen dann durch den Fluss. Zu viele Steine, um das barfuß zu machen, jedenfalls für meine hyperempfindlichen Füße. Danach hatte ich allerdings etliche kleine Steinchen im Schuh, die ich nicht so hundertprozentig wieder herausbekam. Das gab ein Bläschen. Der Trail war endlich mal seines Namens wert, ein echter Wanderweg, ein Trampelpfad quer durch die Natur. Aller paar hundert Meter ein Pfahl, damit man sich orientieren konnte. An jeder Wegkreuzung Hinweispfeile. Ich nahm zunächst den Ekblom Trail und war bald umrundet von Präriehunden, die ich für Murmeltiere gehalten hätte, wenn deren Baue nicht auf der Karte vermerkt gewesen wären. Ein Gepfeife und Weggehusche allerorten. In dem Talkessel wurde es ziemlich heiß, ich hatte aber zwei Liter Wasser und die Frühstücksmuffins dabei, die mir Gen noch mitgegeben hatte. Mir begegnete ein Pärchen, dass Kojoten gesehen haben wollte. Na, mal sehen. Die ganzen Präriehunde wären da bestimmt alle im Bau gewesen, waren sie aber nirgends. Die Ausblicke wurden bei jedem kleinen Anstieg schöner, ab und an war auch mal Schatten, und zehn Meter, nachdem ich neben einer Blume im Gras posiert hatte, huschte eine Schlange vom Weg ins Gras, als ich kam. Aber ich bin immer wachsam. Am grandiosesten war dann der Rundumblick vom Plateau aus, fast erhebend. Ein Stück ging es dann auch oben über gerade Fläche, das lief sich gut. Rundum wieder jede Menge Präriehunde. Als ich wieder hinabgestiegen war und wieder vor dem Fluss stand, waren meine Schuhe so richtig dreckig, da war es ganz gut, wieder durchs Wasser zu laufen. Insgesamt war der Loop mit Ekblom und Big Plateau Trail 8,5 km lang und mir sind sieben Leute begegnet. Vom Peaceful Valley aus fuhr ich dann weiter zum Wind Canyon, wo ich einen kurzen Pfad entlanglief, der aber sehr lohnenswert war. Dann ging es weiter Richtung Boicourt Overlook, unterwegs hieß es dann aber erst einmal anhalten, denn die Straße war von Bisons belagert. Sie hatten auch Junge dabei, und die großen Bullen sind schon furchteinflößend und könnten ein Auto sicher fahruntüchtig machen, wenn man sie reizt. Aber sie zogen ganz friedlich vorbei und ließen die Autos passieren, die aber alle respektvoll langsam fuhren. Am Ausblick dann schaute ich in die tiefstehende Sonne und sah nicht viel. Nur ein Kaninchen, das dort herumhockte. Ich fuhr bis zum Boicourt Trail, den ich dann auch noch in Angriff nahm. Bis zur Spitze des Trails auf einer in den Talkessel hineinreichenden Anhöhe kam ich aber nicht mehr. Ich hatte Angst bekommen. Kojoten heulten. Im Rudel sollen die durchaus gefährlich sein, und man sollte sie in der Dunkelheit, wenn sie meist aktiv werden, tunlichst meiden. Den Rat hatte ich erst heute bekommen, und die Sonne stand tief, und ich war die Einzige dort, und das Heulen war nicht so weit weg. Also kehrte ich vor dem Ziel um. Schnellen Schrittes. Besser einmal zu vorsichtig sein als einmal zu unvorsichtig. Da die Sonne dann auch fast verschwunden war, führ ich nicht mehr weiter, sondern – die Rundstraße war ohnehin ein paar Meilen weiter gesperrt – kehrte um und fuhr zurück zum Campingplatz. Wilde Pferde begegneten mir noch auf dem Rückweg. Ich nahm meinen Platz ein, holte mein Abendbrot heraus und aß es an der Sitzgruppe. Es war schon ziemlich dämmerig, fast dunkel. Im Dunkeln dann suchte ich die Sanitäranlagen und fand nur Trockenklos. Fließendes Wasser gab es zum Glück aber ein paar Meter weiter. Bis kurz vor elf habe ich dann noch versucht, mein Handy per Bluetooth mit dem Rechner zu koppeln, was auch klappte, die Dateiübertragung schlug aber dann fehl. So dass ich das erst einmal aufgab und stattdessen hier diese Zeilen schrieb.

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