This is America - People and Places
Freitag, 8. November 2019
Paddeln im Alligatorrevier und Louisianas Hauptstadt
Donnerstag, 7.11.
Nun, man kann sagen, es hätte geregnet in der Nacht, aber man kann auch sagen, es hätte nicht geregnet. Denn die Luft war so feucht, dass es von den Bäumen nur so tropfte, obwohl vom Himmel kein Tropfen herabfiel. Jedenfalls blieben wir trocken in unserem 25-Dollar-Zelt. Wir duschten und frühstückten dann auch draußen, bauten ab, und kurz vor halb neun waren wir am Parkeingangsbüro, um uns für zwei Stunden ein Kanu auszuleihen. Ich bekam zwei Paddel, zwei Schwimmwesten und einen Schlüssel in die Hand gedrückt, dazu wieder Satsuma-Orangen, dann fuhren wir zur Kanueinsatzstelle, schlossen Kanu 1 ab, schleiften es ins Wasser – es gab eine bequeme Einstiegsstelle – und paddelten los. Der Nebel zwischen den Bäumen, die im Wasser stehenden Palmen, das schilfige Feuchtland ringsum und die an vielen Stellen braunen Wasserlinsen ergaben ein fast surreales Bild für uns. Das Paddeln fühlte sich so vertraut an, aber die Umgebung war so seltsam ... Vom Kanuteich aus paddelten wir zunächst einen schmalen Stich Richtung Vermilion River entlang. Als wir einen schilfigen Bereich passierten, hörten wir linkerhand ein deutliches tiefes Knurren, das – da lege ich mich fest – definitiv von einem Alligator kam. Da lief uns schon ein leichter Schauer über den Rücken. Zu Gesicht bekamen wir aber keinen. Ein Silberreiher zeigte sich uns. Und wir durften uns auch wieder über zwei Exemplare des roten Vogels freuen. Wir glitten dann über einen weiteren Teich, ehe es wieder den schmalen ‚Fluss’ entlangging. Mir war gesagt worden, dass irgendwann Pflanzen das Weiterpaddeln erschweren würden, man aber durchkäme, vor dem kleinen Wasserfall solle man umkehren. So weit kamen wir aber nicht, denn ein Baumstamm blockierte die Weiterfahrt, vielleicht war der Wasserstand zu niedrig. Wir überlegten kurz, ob mit ‚Pflanzen’ eventuell die Palmen gemeint waren und wir durch die hindurch sollten an der Seite dort, aber das kam nicht wirklich in Frage! Auf dem Rückweg drehten wir noch eine Runde auf dem zuvor durchquerten Teich, und als wir wieder am Kanuteich waren, erkundeten wir noch die andere Richtung, denn man gelangte dort zu einem weiteren Teich, an dem wir gestern schon ein Stück entlanggelaufen waren. Unterwegs hatten wir auch mit Baumstämmen zu kämpfen, aber dort konnten wir letztlich passieren. Wir sammelten nebenbei zwei Bierdosen und eine Plasteflasche ein, die irgendwelche Idioten dort hinterlassen hatten. Es sah dort aber überall so aus, als wäre schon eine ganze Weile keiner mehr dort gepaddelt. Wieder an Land räumten wir alles weg, suchten noch die Restrooms vor Ort auf – hier im Park alle sehr ordentlich – und gaben die Utensilien wieder ab. Ich durfte ein weiteres Mal in die Orangenschüssel greifen. Gegen halb elf hatten wir unser Abenteuer bestanden und düsten fort. Als Zwischenziel hatte ich das eindreiviertel Stunden entfernte Baton Rouge angepeilt. Auf dem Weg dorthin führte ein Großteil der Interstate-Autobahn übers Wasser. Die beiden Fahrbahnrichtungen standen jeweils auf Betonstelzen. Die Umgebung wirkte wie eine Waschküche, die den halben Staat einnimmt. Bayou halt. In Baton Rouge kauften wir zunächst ein, ehe wir in die Innenstadt fuhren, wo ich ein Restaurant ausgeguckt hatte, das wir aufsuchen wollten. Wir parkten auf dem Parkplatz der lokalen First Baptist Church in der Hoffnung, dort nicht abgeschleppt zu werden. Das Restaurant „The Gregory“ fanden wir nicht gleich, weil es innerhalb des Gebäudes einer Bank war. Es dient wohl in erster Linie den Bankern als Lunch-Location. Viel los war aber nicht trotz guter Bewertungen im Internet. Die Lunchkarte war überschaubar, bot aber ein sogenanntes Express-Lunch-Menü für 15 Dollar – das hörte sich gut an. Das Menü kam auf einem Teller, was die Portionsgröße ganz gut klar macht. Es gab zwei Suppen zur Auswahl, wir hatten uns für eine Fleischsuppe entschieden, einen Salat – eine kleine Beilage halt – als Hauptgericht Fisch oder Hühnchen – Miniportion, aber sehr lecker – und ein kleines Stück Pekan-Schoko-Kuchen als Dessert. Als Ganzes völlig genug, muss ich sagen, aber ich bin ja hier auch schmale Kost gewöhnt. Wir bummelten dann weiter zum Old State Capitol von Louisiana – nur dadurch kamen wir darauf, dass nicht New Orleans, sondern eben Baton Rouge die Hauptstadt von Louisiana ist! Das alte Capitol ist heute ein Museum mit freiem Zutritt, also schauten wir mal hinein. Es gab eine Audioführung zu dem Rundgang, so tauchten wir ein in Louisianas Geschichte, insbesondere in die unter der Führung von Huey Long, der einerseits viel für die Entwicklung der Infrastruktur sowie für das Bildungs- und das Gesundheitssystem getan hatte, ein Mann, der sich zuvor als Anwalt mit Ölkonzernen angelegt hatte und die Interessen der Armen vertreten wollte, andererseits hat er wohl mit diktatorischen Zügen regiert und die Staatsschulden von 11 auf 100 Millionen Dollar klettern lassen. Mit der Presse kam er auch nicht zurecht, weshalb er kurzerhand sein eigenes Blatt gründete ... Ein kontroverser Politiker also, der manches Gute hinterlassen hat, aber es auf rabiate und rücksichtslose Weise zu Wege gebracht hatte. Er wurde ermordet, was sonst. Danach war unser Bildungshunger erst einmal wieder gestillt, wir spazierten noch hinab zum Ufer des Mississippi, warfen aus der Ferne einen Blick auf das protzige neue State Capitol, das Long bauen ließ, dann wackelten wir zurück zum Auto, es stand noch da. Bis New Orleans fuhren wir noch anderthalb Stunden, durch ähnliche Landschaft. Alles Bayou hier. Es ging zuletzt sogar über eine Huey-Long-Bridge, passte alles zusammen heute. Halb fünf hatten wir den Bayou Segnette State Park – schon wieder Bayou - erreicht, der vom Stadtzentrum New Orleans durch den Mississippi abgetrennt ist. Überall standen große Pfützen, hier war ganz offensichtlich richtig Regen heruntergekommen. Gespannt näherten wir uns dem Campingplatz. Auf einem Pfosten mitten auf dem Platz saß ein großer Greifvogel, noch nicht identifiziert. Neben unserem Platz Nr. 6 stand schon ein Zelt – und zwar nicht auf der Wiese, die vielerorts mit Wasserpfützen gespickt war, sondern auf einem Holzdeck neben der asphaltierten Fahrzeugstellfläche. Großartige Idee in so einer Gegend, fanden wir und stellten unser Zelt natürlich auch auf ‚Stelzen’. Es wurde dann bald schummrig, weshalb wir zeitig (halb sechs) Abendbrot aßen, dazu mussten wir uns lange Sachen anziehen – wegen der hier deutlich aggressiveren und/oder zahlreicheren Mücken. Wir zogen uns anschließend flugs ins Auto zurück, in dem es aber bald so schwül-feucht war, das wir immer mal die Tür öffnen mussten. Da kam natürlich die eine oder andere Mücke hinein ... Morgen soll es nicht regnen, nur grau sein, aber die Temperatur soll von heute 25 auf morgen maximal 16 Grad fallen, diese Nacht soll es bis 13 Grad hinuntergehen, nächste bis auf sieben. Das ist für die Gegend sicher ‚kalt’, für uns aber warm genug. Und lange Hosen sind bei Mücken ohnehin angebrachter. Zudem mag ich diese feucht-warme, schwüle Luft mit gefühlt 100% Luftfeuchtigkeit nicht so wirklich, da kommt mir die Abkühlung ganz recht.

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Letzte Aktualisierung: 2019.12.01, 10:14
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