This is America - People and Places
Mittwoch, 2. Oktober 2019
Engel gelandet!
Dienstag, 1.10.
Um fünf klingelte mein Wecker, halb sechs fuhr ich los, im Stockfinsteren. Es waren minus zwei Grad hier um diese Zeit. Ich war fünf nach sechs am Besucherzentrum, ab um sechs sollten Shuttlebusse fahren. Fuhren sie aber nicht. Seit heute – es ist ja nun Oktober – fahren sie erst ab um sieben. Macht eigentlich auch Sinn, denn erst halb acht geht die Sonne auf. Ich brauchte meine Stirnlampe also nicht. Und in der Schlange war ich die Erste, auch wenn noch einige, die nach mir kamen, keine Ahnung hatten, dass neuerdings erst ab um sieben Shuttleservice ist. Alsbald füllten sich aber dort die Anstellabsperrungen mit immer mehr Menschen. Es passte nicht alle in den ersten Bus, obwohl es einer mit Anhängerteil war. Und fast alle wollten an der gleichen Stelle aussteigen wie ich und den gleichen Wanderweg laufen wie ich! Es handelt sich um den Trail zu Angels Landing, dem „Landeplatz der Engel“, einer 1765 m hohen Felsformation, die ins Tal der Schlucht hineinragt, und deren Bekanntheit dank Instagram mittlerweile wohl zu groß ist. Die meisten stürmten regelrecht los, als wäre das ein Wettrennen den Berg hinauf. Ich ging erst einmal zu den Restrooms und wanderte dann ganz gemütlich los. Manche der Eiligen überholte ich trotzdem irgendwann, weil ihnen die Luft ausging, aber gerade am Anfang überholten mich sogar einige von der zweiten Busladung. Es verlief sich aber. Und nicht alle stiegen bis ganz oben hinauf. Das hat seine Gründe. Es geht nach hinten raus immer stärker bergauf, und wer die vielen Serpentinen dann geschafft hat, steht vor der nächsten Herausforderung: Der Fels ragt ja in die Schlucht hinein, und zu ihm herüber und zum Gipfel hinauf führt ein eher schmaler Grat. Höhenangst darf man da gewiss nicht haben. Es gibt größtenteils Ketten, an denen man sich sichern kann, und an manchen Stellen dienen sie auch dazu, sich hinaufzuhieven, denn so große Schritte kann man gar nicht machen. Der Abschnitt lässt eigentlich auch kaum Gegenverkehr zu, denn dann wird es richtig eng und staut sich. Aus diesem Grund ist es auch ratsam, so früh wie möglich dort hinaufzusteigen. Dank Steffen (aus meiner AbiKlasse) wusste ich darüber Bescheid, es ist immer gut, wenn man Tipps bekommt. Ich war zehn nach halb acht unten losgelaufen und zehn nach neun war „Engel Antje“ gelandet ... Ich fand oben ein richtig schönes Plätzchen, wo ich eine dreiviertel Stunde lang gesessen und genossen habe. In der Zeit wurde es voll oben. Als ein paar andere Richtung Abstieg strebten, reihte ich mich mit ein. Das war hilfreich, denn es kamen unablässig weiter Leute den Berg hinauf – an den Ketten gab es da schon etwas Stau. Insgesamt kam ich aber ziemlich gut durch. Und das Unglaubliche: Beim engen Abstieg kam mir das Ü-60-Paar entgegen, das ich im Yosemite getroffen hatte und mit denen ich geschwatzt hatte! Wir erkannten uns wieder und konnten aber nur kurz Hallo sagen, weil das noch an der Engstelle war. Noch vor halb zwölf war ich wieder unten, stieg in den Shuttlebus, fuhr eine Haltestelle zurück, denn dort gab es einen Weg zu den Emerald Pools, der nicht schwer sein sollte, den wollte ich noch dranhängen. Der Wanderweg führte aber nur zum Lower Emerald Pool, der selbst kein Highlight war, aber dafür der kleine Wasserfall dort, unter dem man hindurchlaufen konnte und der für einen Regenbogen sorgte. Danach war der Weg gesperrt, und man sah auch, warum. Dort waren riesige Felsbrocken heruntergedonnert. Es hatte im September einen Felssturz dort gegeben, jetzt war der Weg deswegen nicht mehr existent. Aber es sollte einen anderen Weg hinauf geben, von der Haltestelle aus, wo es auch zum Angels Landing geht. Ich lief den Grotto Trail entlang dorthin zurück und dann den Alternativweg hinauf zum Upper Emerald Pool. Es kamen noch einige Höhenmeter dazu. Das Besondere war auch hier nicht die Wasseransammlung selbst, sondern das Setting. Man war quasi umringt von riesenhohen Felswänden aus rotem Sandstein. Auf dem Rückweg rutschte ich etwas weg und fiel hin, Grund genug, das Wandern für den heutigen Tag einzustellen. Ich strebte zur Shuttlehaltestelle – und wen traf ich da wieder? Das Paar aus dem Yosemite! Und dieses Mal hatten es beide, auch die Frau, ganz bis auf die Spitze geschafft! Die beiden wollen auch nach Zion zum Bryce, sie meinten, wenn sie mich dort auch wieder träfen, dann würden sie mich zum Dinner einladen ;) Ist schon ein mächtiger Zufall gewesen. Insgesamt sind hier im Südwesten ziemlich viele ausländische Touristen unterwegs, auch viele Deutsche, das war im Norden etwas anders, da waren hauptsächlich Amerikaner. Am Besucherzentrum besorgte ich mir eine Übersichtskarte und musste dann erst einmal mein Auto wiederfinden – ich war ja im Dunkeln dort angekommen am Morgen. Dann fuhr ich zurück, mit kurzem Stau wegen Bauarbeiten und weil der Tunnel für Busse zu eng ist ... Auf dem Campingplatz setzte ich mich in die Sonne und ruhte mich aus. Überlegte, was ich morgen mache. Aß zu Abendbrot. Dann wollte ich duschen gehen – und stellte fest, dass meine Badelatschen weg sind. Ich hatte sie gestern Abend zum Trocknen aufs Autodach gestellt, dort vergessen, heute Morgen auch nicht sehen können, ... Ich guckte, ob ich sie auf dem Weg zur Straße fand und fragte nach, aber nichts da. Weg. Musste ich also ohne duschen gehen. Dummerweise war ich mit dem Zusammenpacken dafür nicht wirklich fertig gewesen, als das dazwischenkam. Ich hatte kein Handtuch mit ... Tag der Vergesslichkeit ... Ich behalf mich mit meinem Shirt. So, nun bin ich fünf Wochen hier, sieben liegen noch vor mir. Zur „Halbzeit“ werde ich vielleicht gerade am „Forrest Gump Point“ sein – an der Stelle, wo der Filmheld seinen endlosen Lauf durch das Land einstellt und umkehrt – zum Entsetzen seiner „Jünger“. Ich bin jetzt auch schon ziemlich viele Meilen durch die USA gelaufen, und noch viele mehr gefahren. Doch ich bin immer noch neugierig auf das, was noch kommt. Mir fehlen die Menschen, die mir nahe stehen, aber es gibt zu viel zu entdecken und zu erfahren, als dass ich würde umkehren wollen.

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